Existenz von einem oder mehreren Konkrementen (Gallensteinen) in der
Gallenblase und/oder im Gallengangssystem (Choledocholithiasis).
Vorkommen:
In den Industrienationen haben ca. 10% der Erwachsenen und 20% der
Senioren > 65 Jahre Gallensteine.
Die Wahrscheinlichkeit, Gallensteine zu entwickeln, steigt mit dem Alter.
w : m = 2 : 1
Bei ca. 10-15% der Betroffenen finden sich nicht nur Steine in der Gallenblase
sondern auch im Ductus choledochus.
Steine im Gallengang können sich entweder direkt vor Ort gebildet haben oder
sie entstammen der Gallenblase und sind in den Gallengang gewandert. In der
Hälfte der Fälle entwickeln sich hieraus schwerwiegende Komplikationen.
Gallensteinarten/Diagnostik:
- Cholesterinsteine. Häufigste Form (ca. 80%). Hierzu zählt man reine
Cholesterinsteine und solche, die überwiegend (>70% Cholesterin)
enthalten. Im Ultraschall oder CT als „schwebende“ Steine in der
Gallenblase zu erkennen. - 20% Bilirubinsteine (sog. Pigmentsteine). Im Ultraschall oder CT als auf
dem Gallenblasenboden liegende Steine zu erkennen.
Gallenblasensteine sind im Röntgen schwer zu diagnostizieren, da sie nicht
verschatten. Es sei denn, sie hätten Kalk eingelagert. Die Diagnose der Steine
gelingt besser durch Ultraschall (Sonographie) oder CT
(Computertomographie).
Risikofaktoren:
Hier greift die sog. 6 F-Regel!
„female – forty – fertile – family – fair – fat“
-
- Female: Frauen sind deutlich häufiger „steinreich“. w : m = 2 : 1
- Family: familiäre Disposition. Man spricht von „Steinfamilien“, in denen
gehäuft Gallensteine unter den Mitgliedern auftreten - Forty: Ab einem Alter > 40, eher sogar schon ab dem 30. Lebensjahr
nimmt das Risiko, Gallensteine zu entwickeln, zu - Fair: Hellhäutige Personen sind häufiger betroffen
- Fat: Erhöhtes Risiko bei Adipositas und bei Jo-Jo-Effekt. Gallensteine
können durch wiederholtes Ab- und Zunehmen vermehrt auftreten. - Fertile: Gravidität sowie Hormonersatztherapie in den Wechseljahren
erhöhen das Risiko - Ernährung: ballaststoffarme Kost, cholesterinreiche Ernährung, Fasten,
parenterale Ernährung - Gallensäureverlust-Syndrom
- Verabreichung von Fibraten oder Somatostatin-Analogika
- Motilitätsmangel der Gallenblase
Pathomechanismus:
Der Gallensaft besteht zum überwiegenden Teil aus Wasser (ca. 80%). Die
Gallenflüssigkeit enthält physiologischerweise Cholesterin, Phospholipide und
Gallensäuren in einem Verhältnis von 5 : 25 : 70, nebst anderen Bestandteilen.
Cholesterin ist chemisch betrachtet ein Fett, da es sich nicht in Wasser lösen
kann. Gallensäuren und die Phospholipide sorgen durch Bildung von Mizellen
für die Löslichkeit des Cholesterins im Gallensaft.
Eine Cholesterin-Steinbildung wird forciert, wenn die Gallenflüssigkeit zu viel
Cholesterin enthält oder die Gallensäuren vermindert sind und dadurch das
Cholesterin schlechter in Lösung gehalten werden kann.
Auch eine Übersättigung des Gallensaftes mit Bilirubin führt zur Steinbildung
(Pigmentsteine).
Kleiner Exkurs „Mizellen“: Gallensäuren und Phospholipide sind chemische
Verbindungen (Moleküle) mit einem fett- und einem wasserlöslichen Ende. Sie
formieren sich derart um das Cholesterin, dass ihr fettlöslicher Teil das
Cholesterin umgibt und der wasserlösliche Teil in die wässrige Matrix der
Gallenflüssigkeit ragt. Die kugelförmigen Gebilde, die sich hierbei bilden, nennt
man Mizellen.
Klinik:
Gallensteine sind meist asymptomatisch (75%), d.h.es existieren Gallensteine,
die jedoch keine Beschwerden hervorrufen. Man diese „Stumme Steine“. Meist
sind sie ein Zufallsbefund bei einer sonographischen Untersuchung.
25% der Gallensteinträger leiden an Symptomen:
-
- Das häufigste Symptom (Leitsymptom) ist die Gallenkolik: Es zeigen sich
wellenförmige, heftige krampfartige Schmerzen im rechten Oberbauch,
teils mit Ausstrahlung in die rechte Schulter und in den Rücken. Sie
entstehen, wenn der Stein sich durch die Gallengänge bewegt oder diese
verlegt. Insbesondere tritt die Gallenkolik nach fettreichem Essen auf,
wenn die Gallenblase durch die Bildung von Cholezystokinin der
Dünndarmzellen zur Ausschüttung des Gallensaftes angeregt wird und
dieser nicht ungehindert abfließen kann. Die Schmerzen dauern länger
als 15 Minuten und können den Betroffenen mehrere Stunden plagen.
Aufgrund der starken Schmerzen können vegetative
Begleiterscheinungen wie z.B. Übelkeit/Erbrechen und schlimmstenfalls
sogar ein paralytischer Ileus sowie ein akutes Abdomen auftreten.
- Das häufigste Symptom (Leitsymptom) ist die Gallenkolik: Es zeigen sich
Einschub „Cholezystokinin“: Dieses Enzym wird von den Dünndarmzellen
gebildet, wenn fettreiches Essen in den Dünndarm gelangt. Der Name klingt
erst mal mächtig kompliziert, ist aber super einfach zu merken, denn: „Chole“ =
Galle; „Zysto“ = Blase; „Kinin“ = Kinetik (Bewegung). Übersetzt heißt es, es ist
das Enzym, das die Gallenblase in Bewegung versetzt. Sie zieht sich unter dem
Einfluß des Enzyms zusammen und „quetscht“ so den Gallensaft nach draußen.
Einschub: Koliken entstehen immer, wenn ein Hohlorgan etwas austreiben will.
Im Falle der Gallenkolik steckt der Stein im Bereich des Ductus cysticus oder der
Papilla vateri fest. Durch die heftige Peristaltik versucht der verlegte Bereich
das Hindernis voranzutreiben.
-
- Unspezifische Oberbauchbeschwerden
- Unspezifische Verdauungsbeschwerden (Völle, Meteorismus, Intoleranz
von fetthaltigen Lebensmitteln) - Tastbefund -> Murphy-Zeichen positiv (siehe körperl. Untersuchung)
- Ikterus infolge eines Coledochussteines. Sitzt der Stein im Ductus
choledochus kommt es zur Abflussbehinderung des Gallensaftes und es
resultiert ein Verschlussikterus.
Merke:
„Sitzt der Stein im Ductus cysticus, dann macht er keinen Ikterus“. Sehr
wohl aber eine Kolik!
Sitzt der Stein im Ductus choledochus kommt es zur Kolik und einem
Ikterus.
Therapie/Komplikationen:
-
- Bei einer unkomplizierten Cholezystolithiasis („stumme“ Steine!) besteht
keine Behandlungsbedürftigkeit. Bei symptomatischer
Cholezystolithiasis besteht hingegen die Indikation zur Therapie, allein
schon deshalb, um Komplikationen zu vermeiden.Mögliche Komplikationen sind:
- Cholezystitis
- Gallenblasenentzündung
- Gallenblasenempyem
- Porzellangallenblase
- Ileus
- Perforation
- Bei einer unkomplizierten Cholezystolithiasis („stumme“ Steine!) besteht
Befinden sich Steine im D. choledochus wird immer behandelt. Das Risiko der
Komplikationen, wie. z.B. das Auftreten einer akuten Pankreatitis, die sich hier
heraus ergeben können, ist als zu riskant einzustufen.
Therapeutisches Vorgehen bei Cholelithiasis
- Nahrungskarenz für ca. 24 Stunden
- Spasmolytika (Butylscopalamin, Buscopan®)
- Schmerzmittel (Metamizol).
Cave: Morphium als Schmerzmittel ist kontraindiziert, da es einen
Spasmus des Sphinkter oddi bewirkt - Elektive laparoskopische Cholezystektomie. Dies ist die häufigste OP-
Variante zur Entfernung der Gallenblase. Cholezystektomie bedeutet
„Entfernung der Gallenblase“. Bei der laparoskopischen
Cholezystektomie wird die OP durch einen kleinen Schnitt in der
Bauchwand, d.h. minimal-invasiv, durchgeführt. - Konventionelle Cholezystektomie. Selteneres Verfahren. Offen-
chirurgische Variante - Auflösung der Steine durch oral aufgenommene
Medikamentenwirkstoffe, wie z.B. Ursodeoxycholsäure (Ursofalk®). Der
Wirkstoff kann durch eine Erhöhung der Gallensaftproduktion kleine
Konkrementsteine auflösen und vermindert die hepatische
Cholesterinsynthese.
Selten angewendetes Verfahren und nur indiziert, wenn eine OP
kontraindiziert ist oder der Patient diese verweigert. Hohes Risiko der
Steinrezidive. Das gleiche gilt für die - ESWL (extrakorporale Stoßwellenlithotripsie). Hier werden die Steine
durch von außen auf den Körper gerichteten Stoßwellen zertrümmert.
Die Trümmerstückchen müssen vom Gallensystem dann im Anschluss
ausgetrieben werden. Daher werden nach der ESWL immer
Medikamente zur oralen Litholyse verabreicht. Cave: Risiko der Kolik!
Therapeutisches Vorgehen bei Choledochussteinen:
- Standard ist die Methode der ERC (endoskopische retrograde
Cholangiografie) mit Papillotomie und retrograder Steinentfernung.
Im Falle zu großer Steine kann zuvor eine Zertrümmerung durch
perkutane Stoßwellenanwendung erfolgen.
Einschub „ERC“: Eine Sonde (Endoskop) mit Seitenblickoptik wird über
den Mund (oral) bis in den Dünndarm hin zur Papilla vateri geschoben.
Nun wird retrograd (entgegen der normalen Flussrichtung der
Gallenflüssigkeit) Kontrastmittel direkt in die Gallengänge injiziert.
Mittels Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen werden z.B. durch
Gallensteine oder Tumore verursachte Stenosen der Gänge sichtbar.
Neben der Diagnostik bietet die ERC auch die Möglichkeit der
therapeutischen Intervention. Über den Arbeitskanal des Endoskops
kann ein Instrument zur Steinentfernung oder Zertrümmerung
vorgeschoben werden.
Prognose:
Cholezystolithiasis: durch Entfernung der Gallenblase tritt in den meisten
Fällen Heilung ein. Bei ca. 10% der Behandelten kommt es danach zu einem
erneuten Auftreten der Beschwerden. Dies wird als
„Postcholzystektomiesyndrom“ bezeichnet.
Choledochuslithiasis: Wichtig zur Rezidivprophylaxe nach Steinentfernung
mittels ERC ist die Cholezystektomie, um den Ort, an dem die Steinbildung
stattfindet zu entfernen.